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(Dendroscopus major) --- Vogel des Jahres 1997

Foto: LBV-Archiv, Z. Tunka

Der Anpassungskünstler – lustig und lästig

Was zu den traditionellen Vogelgeräuschen eines Vorfrühlingswaldes gehört, klingt nun auch inmitten der Großstädte in vervielfachter Lautstärke: das Trommeln, mit dem die Buntspechtmännchen ihre Brutterritorien gegen Rivalen abgrenzen. Rauflustig, wie die knapp amselgroßen Klettervögel unter schnarrenden Krächzrufen aufeinander losgehen, beweisen sie auch bei der akustischen Verkündi-gung ihrer Besitzansprüche ein unübersehbares und, vor allem, nicht zu überhörendes Tempera-ment. Statt des Reviergesanges lassen sie den Resonanzkörper eines hohlen Wipfelastes ertönen, in einem schwirrenden Trommelwirbel von eineinhalb Sekunden.

Seit einigen Jahren bedienen sich die Spechte der Klangeigenschaften städtischen Metalls und Blechs: Fernsehantennen, Blechdächer, die Gehäuseschirme von Verkehrsampeln, Trambahnleitun-gen, Hausfassaden und Straßenschilder dienen den gefiederten Perkussionisten als Instrument. Bis in die Innenstadtbereiche, in denen noch durchgehende Straßenbaumbestände einen Rest der natürlichen Lebensraum-Requisiten stellen, können wir im Februar und März mit anhören, wie die hier zahlreichen Buntspechte z.B. die Stadt München in ein einziges großes Schlagzeug verwandeln. Der weit hallende Sound ihres Balztrommelns reißt manchen Bürger, der ausschlafen will, früh-morgens aus dem Bett.

"Fassaden-Hacker"

Spechtlöscher in der Fassade Foto: Marcel Fröhlich, LBV-München

Aber wenn es das nur wäre – der Buntspecht hat an unseren Häusern noch andere für ihn vorteilhafte Eigenschaften entdeckt. Wem ist nicht schon aufgefallen, dass in manchen Hausfassaden kleine runde Löcher klaffen, meist in die Nähe einer Gebäudeecke orientiert und in weitem Abstand schräg oder in Reihe übereinander liegend, ganz ähnlich Spechthöhlen in einem morschen Baum-stamm. Und tatsächlich – hier war Meister Specht am Werk. Statt Bäumen tut es auch der Bereich zwischen Putz und Mauerwerk.

Übrigens zieht nicht nur der Buntspecht mit seiner Familie in die selbst gehackten Mauerlöcher ein. Die Mehrheit der gebauten Höhlen wird ohnehin als Schlafquartiere genutzt, einige dienen als Bruthöhlen, der Rest wird weitervermietet: Wie im Wald nutzen oft gefiederte und sogar vierbeinige Untermieter die neuen Höhlen sekundär. Eine Wohngemeinschaft, wie sie nur in den selten gewordenen Naturwäldern zusammen kommt, siedelt sich dank der Vorarbeit des Spechts an den Wohnblocks der Stadt an.

In München war das Projekt „Artenschutz an Gebäuden“ auch schon mit Fassaden-Hackgängen beschäftigt, in denen gerade zur Zeit, da die Löcher eigentlich verfüllt werden sollten, Mauersegler, Haussperlinge und Stare ihre Jungen aufzogen, sich außerdem Eichhörnchen ihre Schlafquartiere eingerichtet hatten. Die künstlichen Baumhöhlen konnten den Untermietern natürlich nicht erhalten bleiben, aber es wurde in guter Zusammenarbeit mit den Bauarbeitern erreicht, dass alle Vögel ihre Brut beenden konnten und für die nächste Saison Ersatznistkästen erhielten. Für die Mauersegler wurde nach dem täglichen Ende der Bauarbeiten am frühen Abend eine Gerüststange bis zum nächsten Tag entfernt, damit sie wenigstens für die verbleibenden Stunden Tageslicht ungefährdet ihre parabelförmige Anflug-Kurve vollführen konnten.

Buntspecht als Leitungsmasten-Hacker - Foto: Dr. Sabine Tapertzhofen, Wolfratshausen (LBV)


Im Wald der Häuser

Was veranlasst den Buntspecht nun, sich an unseren Häusern zu vergreifen? Die Antwort liegt auf der Hand: Es gelingt dem anpassungsfähigen Vogel, sie in seine Lebensraumansprüche einzube-ziehen. Während fast alle anderen Spechtarten mit der modernen Waldbewirtschaftung nicht zurecht kommen und in Deutschland auf der Roten Liste stehen, ist der Buntspecht relativ erfolgreich geblie-ben. Von seiner Familie ist er am wenigsten auf bestimmte Nahrungsquellen angewiesen. Auch er holt mit seiner langen Widerhaken-Zunge zwar vor allem Käferlarven aus morschem Holz, kann aber auch Insekten von Blättern, Baumrinde und anderen Oberflächen ablesen. So findet er sich auch dort zurecht, wo wenig Totholz stehen bleibt.

Von Baumstämmen führt das Abklauben der Beute schnell auch an die Hauswand. Was dort pas-siert, dürfte klar sein: Der Specht entdeckt den Hohlklang des Wärmedämmverbundsystems nicht nur für seine oben geschilderten akustischen Zwecke, sondern erkennt, dass sich darunter eine Wohnge-legenheit herstellen lässt. Schließlich fliegt das Männchen im Vorfrühjahr gezielt die Bäume seines Revieres ab und prüft die Materialqualitäten mit dem Schnabel am Klang. Es ist möglich, dass er an einer Hauswand dem Hinweis auf einen Brutplatz nachgeht oder einfach dem Glauben, unter der „Putz-Borke“ Nahrung zu finden. Weil die Anlage von Höhlen im Wärmedämmverbundsystem so gut funktioniert, wird im Frühjahr nachgelegt und gleich noch eine oder mehrere andere Wohnungen gehämmert.

Was tun?

Ein Patentrezept zur Vermeidung von Specht-Schäden ist bislang leider noch nicht gefunden. Hier stößt die Freude, die das muntere Wesen und die Anpassungsfähigkeit des Waldvogels in uns Menschen wecken kann, bei Hausbesitzern an ihre Grenzen, sind doch die Löcher in der Fassade nicht nur eine optische Beeinträchtigung, sondern auch eine mögliche Gefahr für das Klimasystem des Gebäudes. Durch die Spechtgänge entsteht ein Korridor, der Wärme nach draußen abführt und stattdessen Feuchtigkeit in die Bausubstanz eindringen lässt – bis hin zu kostenintensiven Schäden.

Andererseits ist der Verschluss der Löcher schwierig und teuer und veranlasst den Specht höchstens dazu, noch am selben Tag ein neues Eigenheim zu bauen. Wie einen guten Nahrungs- und Brutbaum suchen die lernfähigen Vögel auch einen geeigneten Platz am Haus immer wieder auf.

Wer mag da manchmal nicht in Gedanken zur Flinte greifen nach dem Motto: „Am besten ist es doch, wenn der Hundling weg ist!“ Aber: Spechte sind geschützte Vögel und ihr Abschuss oder Fang nicht nur gesetzlich verboten, sondern im Hinblick auf das eigentliche Ziel – den Schutz des Hauses – obendrein recht unwirksam. Ein leergeschossenes Revier würde rasch vom nächsten Specht auf der Suche nach einer Niederlassung besetzt.

Deshalb macht der Landesbund für Vogelschutz folgende Vorschläge:


Vor der Verfüllung der Spechtlöcher sollte erst nachgesehen werden, ob nicht Vogelarten darin brüten, deren Nistplätze wegen ihrer hohen Gebundenheit an Gebäude zur Brutzeit dem besonderen gesetzlichen Schutz unterliegen. Dies sind als Höhlenbrüter: Mauersegler, Haussperling, Haus- und Gartenrotschwanz, Kohl- und Blaumeise, Star, Kleiber. Auch bei anderweitiger Belegung sollte der Hausbesitzer den Naturschutz zu einer raschen Beratung und Problemlösung benachrichtigen.

Den harmlosen Gartenbaumläufer kann man problemlos an der Hauswand emporklettern lassen und nicht mit einem Specht verwechseln. Er kann keine Fassade beschädigen und ihn zu beobachten ist eine echte Freude.

Weitere Spechtarten in der Stadt: Alte Bäume stehen lassen!

Dem Buntspecht sind in vielen Gegenden noch zwei Verwandte in die Siedlungen gefolgt: der Grün- und der ihm ähnlich sehende Grauspecht. Sie teilen den Grund der Landflucht mit dem Buntspecht, hat ihnen die moderne Wald- und Grünlandwirtschaft doch in noch höherem Maße die natürlichen Lebensraumgrundlagen genommen. Beide Spechte ernähren sich und ihre Jungen hauptsächlich von Wiesenameisen und deren Puppen. In intensiv gedüngten und gemähten Wiesen finden sie diese Nahrung nicht mehr. Totholz macht einen wesentlich höheren Anteil an den von ihnen benötigten Lebensraum-Requisiten aus als beim Buntspecht. Auch dieses ist aus den eintönigen Wirtschafts-wäldern verschwunden.


Text mit Unterstützung von Sylvia Weber, München
Projektleiterin Artenschutz an Gebäuden im LBV
» www.lbv-muenchen.de


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