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(Coleus monedula / Corvus monedula *) --- Vogel des Jahres 2012

Foto: Chris Falk, www.corvus-monedula.com

In der milden, weißen Märzsonne kreisen mehrere Paare der taubengroßen Rabenvögel in schau-stellerischem Synchronflug flatternd, segelnd um den Dorfener Kirchturm mit seiner hohen Kegel-haube. Kjack-kjack! Kjüpp-kjüpp-kjüpp! Kjäck-kjää-kjäääh! ertönen ihre vielfältig schnalzenden, glucksenden, kollernden und maunzenden Rufbotschaften, die Konrad Lorenz als Aufforderung zum kollektiven Mitfliegen, als Partnergruß bei der Landung am Nest oder als Drohung gegen Ri-valen übersetzte.

Turmfalke und Dohlen am Kirchturm von Thanning/Obb. Dohlenpärchen beobachtet den Turmfalken Dohlensteit um die bestem Plätze - Fotos: G. Wellner


Wie ihre Verwandten, die Krähen, tragen die Dohlen Schwarz, das die Lichteinstrahlung zu schil-lernden Strukturfarben wie Grün und Purpurviolett bricht. Auffälig an ihrer gedrungen, kurzhalsig und stutzschwänzig wirkenden Gestalt, der die stämmige Schlankheit der größeren Rabenkrähen fehlt, sind das rauchgraue Kopfgefieder und die leuchtend silbergrünen Augen, eingebettet in samt-schwarze Federmasken, die als Käppchen auf den Scheitel übergreifen. Das gibt den erwachsenen Dohlen eine gewisse Ähnlichkeit mit soutanenbekleideten Dorfpfarrern, woher wohl auch der lateinische Name "Corvus monedula" – zu deutsch "das Mönchlein" – rührt.

Foto: Chris Falk, www.corvus-monedula.com

Zusammen mit diesem gar nicht schwärzlichen, Aberglauben weckenden Aussehen verleihen ihre kehligen, stets aufgeregt klingenden Rufe ihrem munteren Gehaben eine possierlich wirkende Gewichtigkeit. Auch die zärtliche Partnertreue, die ein Leben lang anhalten kann – Seitensprüngen oder Dreiecks-beziehungen aber keineswegs abgeneigt ist – tragen eigentlich zu einem liebenswerten, unterhaltsamen Image der Dohle bei und müssten viele Menschen bei genauerem Hinsehen für sie einnehmen. Leider wird es den kleinsten unserer schwarz gefiederten Rabenvögel nicht leicht gemacht, sind sie doch mit am stärksten von Wohnungsnot betroffen.


Brutbiologie

Schon Ende Februar/Anfang März kommt Leben in die Dohlen-Kolonie. Ihre Nester, unordentliche Reisighaufen, die mit Fellhaaren, Schafwolle, Federn, Gras, Moos und allerlei Gelegenheitsfunden wie Papier ausgepolstert werden, legen die Vögel in geräumigen Baumhöhlen, in Felshöhlen und Gebäudenischen an, vorzugsweise in hohen und mardersicheren Türmen. Am Ende des Winters kehren sie von ihren Strichwanderungen oder auch von richtigen Zugreisen nach Westeuropa in die Brutkolonie zurück, tragen frisches Nistmaterial ins kirchliche Mauerwerk und raufen sich um die Kinderstuben. Langjährige Paare festigen ihren Partnerbund und tragen diesen gleichzeitig durch Synchronflüge zur Schau, bei denen das Männchen nicht selten Baumaterial zur Schau trägt. Diese Einlagen sind nur einige Elemente im noch sehr viel reicheren Ritualwesen der Dohlen.

Dohlen-Gelege Dohlen-Küken 3-5 Tage alt Fotos: Erich Hofmann


Die Eiablage beginnt Mitte April und füllt die oft sorgsam gepolsterten Nestmulden mit vier bis manchmal sechs Eiern, über deren leuchtend türkisblaue Schale größere bräunlichschwarze Sprenkel verteilt sind. Drei Wochen lang brütet ausschließlich das Weibchen und wird in dieser Zeit von seinem Partner mit Futter versorgt. Der Dohlenvater schafft die Nahrung – anfangs kleine, weichhäutige Insektenlarven – auch noch im Kropf heran, solange die frisch geschlüpften, nackten Jungen ihre Körpertemperatur noch nicht selbst regeln können und auf die Blutwärme der Mutter angewiesen sind. Erst nach einigen Tagen arbeiten beide Eltern zusammen, um den wachsenden Hunger ihrer heranwachsenden Jungen zu stillen.

Noch nicht flügger Jungvogel Foto: Erich Hofmann, Diet-ramszell

Trotz dieser gemeinsamen Anstrengungen sind die brutzeitlichen Verluste, vor allem durch schlechtes Wetter, hoch: Oft fliegen nur ein oder zwei Junge pro Paar aus, manchmal bleibt eine ganze Saison für die Eltern erfolglos. Dohlen brüten nur einmal im Jahr.
Wenn die Jungen um den 15. Juni ausfliegen, haben sie ein ein-heitlich rußfarbenes Federkleid, in dem sich das spätere Grau des Hinterkopfes höchstens andeutet, und auffällig hellblaue Augen.

Nahrung

Dohlen lieben Icking-Dorfen - ein Dohlenparadies südlich von München - Foto: Wellner

Neben der Sicherung von Brutplätzen ist ein reichhaltiges Nah-rungsangebot für den Schutz der Dohlen wichtig. Möglichst in nicht mehr als 500 Metern um ihre Brutkolonie sollten die Vögel ein vielseitiges Angebot an größeren und kleineren Insekten vorfinden. Auch die größeren Nestlinge werden mit verschie-denen Arten von Käfern, Grillen und Heuschrecken gefüttert. Wegen der Verarmung unserer Landschaft stehen immer weni-ger Großinsekten auf dem Speiseplan der Dohlen.
Als Insektenfresser und Vertilger vieler Schädlinge macht sich die Dohle auch für die Landwirtschaft nützlich!

Dohlen bei gemeinsamer Nahrungssuche, Pfatter/Lkr. Regensburg, Foto: Gerd Wellner


Schutzmaßnahmen

In vielen Regionen wie auch im Landkreis Bad Tölz / Wolfratshausen hat die Dohle einen guten Bestand an der Grenze der Sättigung – ein Verdienst langjähriger kontinuierlicher Bemühungen um die Erhaltung und Neuschaffung ihrer Brutplätze. Diese erfreuliche Bilanz soll zwar nicht darüber hinweg täuschen, dass die Art in mehreren Bundesländern wie auch in Bayern auf der Vorwarnliste steht, dennoch ist sie ein ermutigendes Beispiel für erfolgreichen Artenschutz.

Klosterkirche Dietramszell Foto: Erich Hofmann

In dem vom Autor betreuten Landkreis Bad Tölz / Wolfratshausen gibt es Dohlen-Kolonien nicht nur in Dorfen (Gde. Icking), sondern auch in den Eglinger Ortsteilen Deining, Neufahrn und Thanning, am Kloster Dietramszell (größte Kolonie - Klosterkirche siehe Foto rechts), in Ascholding, Linden sowie in Münsing und Holzhausen.
Speziell betreut werden die Dohlen-Kolonien in Dietramszell von dem LBV-Kollegen Erich Hofmann, der uns hier etliche Fotos zur Verfügung gestellt hat.

Etwa auf der Höhe Königsdorf verläuft die Verbreitungsgrenze nach Süden, was mit den ökologischen Ansprüchen der Rabenvögel zusammenhängt: In den nach Süden folgenden Vorgebirgstälern verengt sich der Anteil an Mähgrünland, auf dessen weiten Flächen die Dohlen ihre Nahrung suchen.

Dohlen-Beringung in der Klosterkirche Dietramszell Ende Mai
Fotos: Erich Hofmann, Dietramszell und Dr. Oliver Schreiber, München


1. Nistmöglichkeiten in Kirchtürmen

In guter Zusammenarbeit mit aufgeschlossenen Pfarrämtern – was uns leider nicht in allen Gemein-den begegnete – hat der Landesbund für Vogelschutz hinter den Schalllöchern der Kirchtürme geräumige Nistkästen installiert. Diese Methode hat den entscheidenden Vorteil, dass die Vögel einen Raum zum Brüten vorfinden, aber nicht ins Innere des Turmes eindringen können. Auch Turmfalken stehen die Kästen als Unterkünfte bereit. In manchem Jahr hat abwechselnd eine der beiden Vogelarten in den von uns aufgehängten Kästen gebrütet.

Um Tauben an der Besetzung von Nistkästen in Kirchtürmen zu hindern, empfiehlt der württem-bergische Dohlen-Experte Hans Ulrich Stuiber, zwischen Landemöglichkeit und der Unterkante des Einflugloches eine Höhe von etwa 25 Zentimetern zu lassen. Tauben haben im Gegensatz zu den akrobatischen Dohlen Schwierigkeiten, auf einer Kante ohne Vorsprung und zusätzliche Sitzhilfe zu landen. Zumindest zur Brutzeit setzen sich die Rabenvögel an ihren Einflügen ohnehin stets gegen die Tauben durch und halten sie vom Landen ab.

(In Arbeit: Bauanleitung/Bild Dohlenkasten)


Da Dohlen jedes Frühjahr teils zum Hausputz, teils als Balzritual neues Nistmaterial in ihre Kästen eintragen, müssen diese etwa alle zwei Jahre gereinigt werden. Dies erfolgt mitten im Winter, da dann Störungen am Nest vermieden werden. Auf teilweise halsbrecherisch steilen und wackeligen Steigbäumen wie dem der Dorfener Kirche, auf dem auch mir schon mehrmals die Kniee weich wurden, haben wir in mehrstündiger Zusammenarbeit ganze Sacklandungen alten, verstaubten Reisigs von der Turmstube zum Komposthaufen des Kirchfriedhofs geschleppt. Mundschutz empfiehlt sich bei dieser Arbeit, die auch deswegen notwendig ist, um die wohlwollende Kirchen-gemeinde von unserem Reinlichkeitswillen zu überzeugen.

2. Neue Nistkästen an Stadeln, Bäumen und Trafohäuschen

Die zunehmende Enge in unseren Dohlenkolonien und die daraus resultierenden Konkurrenzkämpfe haben uns im Jahr 2007 erstmals veranlasst, das stressige Gedränge durch alternative Nistplatz-angebote zu entzerren. Schließlich wirken sich zu häufige Kämpfe negativ auf die Fitness der Elternvögel und damit auf den Bruterfolg aus.

So haben unser Greifvogelexperte Alois Lanzinger und ich kurz vor der Brutzeit vier Dohlenkästen an den lauschigen alten Bäumen des Kiebergs, einem Hügelsporn gegenüber der Kirche in Icking-Dorfen, angebracht. Sie sollen vor allem jüngere, noch nicht etablierte Dohlenpaare von der Kolonie weglocken und ihnen neue Brutmöglichkeiten in Gemeinschaft bieten.

Eine weitere derartige Maßnahme wurde im Herbst mit zwei Nistkästen an einer Scheune bei Than-ning (Gde. Egling) verwirklicht. Die Kästen sind im Inneren des Gebäudes festgeschraubt und durch eine ausgesägte Öffnung in jeder Giebelwand zugänglich. Das sieht nicht nur ästhetisch besser aus, sondern entzieht die Vögel auch dem Gefühl beobachtet zu werden.

Im Sommer 2006 haben einige handwerklich begabte Aktivmitglieder der LBV Kreisgruppe Bad Tölz / Wolfratshausen ein aufgegebenes Trafohäuschen in Mooseurach (Gde. Königsdorf) zu einer Natur-schutzstation mit Brutmöglichkeiten für größere und kleinere Vögel sowie Fledermäuse umgestaltet. Für Dohlen, Turmfalken, Mauersegler, Haus- und Feldsperlinge, Meisen und andere kleine Höhlen-brüter sind neue Nistplätze in einer weitgehend intakten, nahrungsreichen Naturlandschaft geschaf-fen worden – Schutz von Gebäudebrütern hat seit Jahren feste Tradition in der an Aktivitäten reichen Kreisgruppe.


Schutz der Kirchturm-Fassade

Dohlen sind sehr viel reinlichere Vögel, als ihre schlampig aufgeschichteten Nester erahnen lassen, und verursachen kaum Schmutz an der Kirchturmwand. Dies verdankt die Fassade der Gewohnheit der Elternvögel, den Kot ihrer Jungen im Schnabel weg zu tragen oder zu schlucken, solange die Küken noch klein sind und wässrigen, mineralreichen Kot von sich geben.

Um die Fassade noch besser vor Verschmutzung zu schützen, empfiehlt sich folgende Methode: Ein bis zu 50 Zentimeter weit ins Freie ragender Holzstab wird mit einer Krampe waagrecht am Innen-rand des Schalllochs oder des Nistkastens festgeschraubt, sodass er wie eine Staren-Sitzstange nach außen zeigt. Die Dohlen sitzen gerne auf einem Ast vor ihrer Baumhöhle, um ihren Besitz und ihren Paar-Zusammenhalt zu demonstrieren. An Gebäuden zeigen sie dieses Wachposten-Verhalten auf vorspringenden Strukturen in der Nähe ihres Einflugloches – von einer Sitzvorrichtung, die ein Stück von der Mauer wegragt, fällt der Kot nicht so leicht auf die Fassade.

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Anlässlich der Wahl der Dohle zum "Vogel des Jahres 2012" wird in nachfolgendem Download in erzählender Form das schwierige und gefährliche Flüggewerden junger Dohlen geschildert. Wie in einer menschlichen Kurzgeschichte deutet die dramatische Binnenhandlung eine innere Entwicklung in einer Konfliktsituation an.
Der in dieser Geschichte vorkommende Kirchturm ist St. Laurentius in Großdingharting (Landkreis München) nachempfunden.
» Flügge werden - eine Dohlengeschichte [67 KB]
Autor: Dr. Anton Vogel, München

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*) NABU, LBV und verschiedene wissenschaftliche Institute verwenden den lateinischen Namen
Coleus monedula statt Corvus monedula (Coleus als Untergattung der Gattung Corvus).


Weitergehende Information:
Ratgeber zum Artenschutz an Gebäuden und in der Stadt
» LBV-München - Artenschutz an Gebäuden: Downloads von Broschüren
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